Essentielle Akkordprogressionen auf der Gitarre für Country, Bluegrass und Old Time Music
Author: Wanda Waterman
Willkommen zu einer weiteren Episode unserer Akkordfolgen-Reihe! Wir hoffen, dass dich die Lektüre dieses Artikel für das Spielen in deinem Lieblingsgenre stärkt und du danach vielleicht sogar inspiriert bist, mal in andere Genres hineinzuschnuppern. Das ist nie verkehrt und macht dich zu einem vielseitigeren Gitarristen.
Heute stellen wir dir das Genre vor, das auf der einfachsten und gebräuchlichsten Akkordfolge in der westlichen Musik basiert: I-IV-V-I.
(In der Tonart C-Dur wäre dies zum Beispiel C-F-G-C.) Wir werden die Geschichte der Country-Musik streifen, darüber sprechen, was sie anders macht, und dir einige gute Beispiele zum Nachspielen geben.
Was sind Akkordprogressionen?
Eine Akkordprogression ist einfach die Folge von Akkorden, die man spielt, um eine Melodie zu begleiten, und wie wir bereits in früheren Artikeln erläutert haben, ist das eines der musikalischen Elemente, die einem Genre seinen besonderen Klang verleihen und es von anderen Genres unterscheiden.
Für die Bezeichnung von Akkorden verwenden wir römische Ziffern, die auf die jeweiligen Positionen in der Tonleiter zurückgehen. I ist der erste Akkord einer Tonleiter, II der zweite und so weiter ist. Es ist wichtig zu wissen, welche der Akkorde in einer Tonart Dur, welche Moll und welche vermindert sind. Das hängt davon ab, ob man in einer Dur- oder einer Molltonart spielt.
Von den Musikern in Nashville werden allerdings nicht römische Ziffern verwendet, sondern die allgemein bekannteren arabischen Ziffern (1, 2, 3 usw.). Für den Fall, dass du an die römischen Ziffern gewöhnt bist, haben wir beide Schreibweisen aufgenommen.
Die Akkorde der Dur-Tonleiter
- I 1, Akkord: Dur
- II 2. Akkord: Moll
- III 3. Akkord: Moll
- IV 4. Akkord: Moll
- V 5. Akkord: Dur
- VI 6. Akkord: Moll
- VII 7. Akkord: vermindert
(Wie in der Rockmusik wird der 7. oder VII-Akkord in Country-Akkordfolgen nur selten verwendet).
Die Akkorde der Moll-Tonleiter
- I 1. Akkord: Moll
- II 2. Akkord: vermindert
- III 3. Akkord: Dur
- IV 4. Akkord: Moll
- V 5. Akkord: Moll
- VI 6. Akkord: Dur
- VII 7. Akkord: Dur
Die 8-Takt-Phrase
Wenn wir von einer bestimmten Akkordfolge sprechen, beziehen wir uns auf die Akkorde, die für eine achttaktige musikalische Phrase verwendet werden, da die achttaktige Phrase eine der Grundeinheiten in der westlichen Musik ist. Normalerweise wiederholt der Komponist die gleiche Abfolge zweimal, fügt dann acht Takte einer anderen Abfolge hinzu und wiederholt dann die erste Abfolge. Einige Genres wollen sich abheben und stellen dieses etablierte Muster in Frage, aber mit wenigen Ausnahmen bleibt beispielsweise die Country-Musik meist ziemlich nahe an diesem Arrangement.
Inwiefern sind die Akkordfolgen in der Country-Musik anders?
Country-Musik ist dafür bekannt, dass sie musikalische Konventionen nicht in Frage stellt und daher die Akkordfolgen meist die gleichen bleiben. Auch andere musikalische Neuerungen werden vermieden, wie zum Beispiel Bridges mit Tonartwechseln in der Mitte eines Liedes oder das Hinzufügen zusätzlicher Noten zu einem Grund-Dreiklang: Ein G7-Akkord gehört noch zur Norm, aber 6er-, 9er- und 13er-Akkorde sind definitiv out. Viele Country-Lieder haben nicht einmal einen Refrain! Zu allem Überfluss sind die meisten Melodien auf die Dur-Tonarten G, A, C, D, E und F beschränkt, und da alle Akkorde in der I-IV-V-I (1-4-5-1 in Nashville) Progression Dur sind, gibt es in der Grundstruktur keine Moll-Akkorde. Findest du doch einen Moll-Akkord in einer Country-Progression, handelt es sich fast immer um einen VI (6).
Tennisspielen mit aufgestelltem Netz
Bevor du jetzt die Nase über die Country-Musik rümpfst, weil sie dir musikalisch zu einfach erscheint, denk noch einmal nach. Es mag andere Gründe geben, Country-Songs abzulehnen (deprimierende Texte, weinerlicher Gesang und scheußliche Outfits ganz oben auf der Liste), musikalische Einfachheit gehört nicht dazu.
Erinnerst du dich an unsere KISS-Regel? “Keep it simple, stupid” bringt nicht nur Gelassenheit ins Leben, sondern kann die Grundlage für die beliebtesten und zeitlos ansprechendsten Lieder sein. Was die Country-Musik hörbar und lebendig hält, ist das, was kreative Künstler innerhalb der strengen Grenzen der I-IV-V-I-Progression leisten.
Auf die Frage, warum er sich in seinen Gedichten an Regeln der Grammatik, des Rhythmus und des Reimens hielt, gestand Robert Frost: “Ich spiele Tennis gerne mit aufgestelltem Netz”. Manchmal braucht es herausfordernde Einschränkungen, um das Beste aus der Kunst herauszuholen, weshalb die Country-Musik einige der größten Gitarristen aller Zeiten hervorgebracht hat.
Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Einfachheit der I-IV-V-I-Progression Bestand hat: Sie ist so demokratisch! Man muss nicht reich oder gebildet oder von hohem Stand sein, um Countrymusik zu beherrschen. Jeder mit Talent und einer Box mit Saiten drauf kann Musik machen, und viele solcher Leute können sich zusammenfinden, um die Lieder zu spielen, die sie alle kennen. Was das Publikum betrifft, so braucht man keine musikalische Bildung, um Countrymusik zu “begreifen”.
Weil sie auch für die arme, marginalisierte Landbevölkerung verfügbar war, war die Countrymusik traditionell Ausdruck einer emotionalen Authentizität, wie sie nur solche Menschen mitbringen können.
Old Time
Old Time Music (manchmal auch als “Old Tyme” oder “Old Timey” geschrieben) ist die authentischste, älteste und reinste Form der amerikanischen Country-Musik. Wenn man tief genug in sie eindringt, findet man Anklänge an die keltischen Modi, Melodien und lyrischen Themen, die sie inspiriert haben. Viele der Lieder, zum Beispiel “Lord Randal”, wurden tatsächlich von den Britischen Inseln nach Amerika gebracht, wo sie immer noch in sehr unterschiedlichen Versionen gesungen werden. Die “Musik der alten Zeit” unterlag nicht denselben Beschränkungen wie Bluegrass oder kommerzielle Country-Musik (einige seltsamere Elemente wurden in den beiden Untergattungen später ausgemerzt), aber die Grundstruktur I-IV-V-I war ihr Fundament.
Vor allem in der Old Time Music finden wir diesen “hohen, einsamen Sound”, auf den oft Bezug genommen wird, wenn von den eindringlichsten Country-Liedern die Rede ist – diese seltsame Tonlage, die einen an starken Wind denken lässt, der an einem schmalen Bergpass durch die Kiefern heult, oder an das Jaulen von Wölfen in dunklen Tälern. Was sind die Zutaten des “hohen, einsamen Klangs”? Das Hinzufügen der Moll-VI-Akkorde zu den Grundakkorden I-IV-V-I, einige seltsame Banjostimmungen, Doppelsaiten auf der Fiddle, tragische Texte und eine leidenschaftliche Gesangsdarbeitung sind einige der Elemente, aber es ist immer noch ein Rätsel, wie genau dieser eindringliche Klang entsteht.
(Wenn du mit dem Klang echter Oldtime-Musik nicht vertraut bist, hör dir einige der Beispiele auf dieser Folkways-Seite an).
Bluegrass
Bluegrass ist ein relativ neues Phänomen in der amerikanischen Musik, das von Bill Monroe in den 1940er Jahren in Kentucky fast im Alleingang geschaffen wurde. Das neue Genre basierte weitgehend auf Monroes Old Time Music-Hintergrund, aber eine selten anerkannte Tatsache ist, dass Bluegrass-Musik stark auf die amerikanischen Sklaven zurückgeht. In den Bergen der Südstaaten, aus denen der Bluegrass ursprünglich stammt, wurden viele geflohene und später freigelassene schwarze Sklaven versteckt, wo ihr Einfluss auf die dortige Volksmusik schließlich zu einem Bestandteil des Bluegrass wurde. Bill Monroe beharrte oft darauf, dass seine neue musikalische Entwicklung ein Produkt des Hörens von schwarzer Musik sei und dass der Name “Bluegrass” sich nicht auf die gleichnamigen Grasflächen in Kentucky beziehe, sondern auf die ländlichen und bluesigen Wurzeln des Genres.
Die Akkordfolge I-IV-V-I, die der Bluegrass von der Old Time Music erbte, war in Stein gemeißelt; Bill Monroe war sehr streng mit den Akkordfolgen. Wenn jemand versuchte, am Grundmuster herumzupfuschen, sagte er: “Es klingt gut, aber es ist nicht Bluegrass”.
Mit Strenge und Innovation
Innerhalb dieser engen Form entstand eine überraschende Menge musikalischer Erfindungen. Zum einen führte der Bluegrass die Polyphonie wieder ein – die harmonische Vermischung von zwei oder mehr Instrumenten, die gleichzeitig verschiedene Melodien spielen. Die strenge Akkordformel machte es möglich, dass jeder der Musiker in einer vier- oder fünfköpfigen Bluegrass-Band (die immer aus Gitarre, Bass und Banjo und manchmal auch aus Fiddle, Mandoline, Schlagzeug und Steelguitar bestand), rhapsodische Triller und ekstatische Läufe spielen konnte und trotzdem alles glänzend zusammenpasste.
Eine weitere reizvolle Neuerung im Bluegrass ist die Verwendung des fünfsaitigen Banjos, eines Instrumentes, dem in Bluegrass-Bands mehr Freiheit gewährt wird als jedem anderen Instrument (möglicherweise wegen seiner Lautstärke). Bluegrass-Banjospieler können aus einer Vielzahl von Banjostimmungen wählen, um die Gefühlslage des Songs zu verändern. Sie können auch in der Mitte eines Songs die Stimmung ändern, so dass die Stimmung an sich wie ein musikalisches Element rüberkommt. Sie können in vierstimmiger Harmonie zusammen singen. Sie können erstaunliche Soli spielen.
Lass uns spielen!
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Jedes dieser Songbeispiele verwendet die Progression I-IV-V-I, jedoch mit sehr unterschiedlichen Stilen und Klängen. Aus Platzgründen haben wir nur die erste Strophe und den Refrain jedes Liedes aufgeführt, aber der Rest der Texte ist online leicht zu finden.
Old Time: Man of Constant Sorrow
Intro: C F G7 C
C G G7 C
(In constant sorrow through his days)
C F
Well I am a man of constant sorrow,
G7 C
I’ve seen trouble all my days.
C F
I bid farewell to old Kentucky –
G7 C
The place where I was born and bred.
C G G7 C
(The place where he was born and bred)
C F G7 C
Bluegrass: Workin’ on a Building, von Bill Monroe
G
If I were a sinner, tell you what I would do–
C D G
I’d quit my sinnin,’ and I’d work on a buildin’, too.
Refrain:
G
I’m workin’ on a buildin,’
I’m workin’ on a buildin’
C D G
I’m workin’ on a buildin’ for my Lord, for my Lord.
Mainstream Country: Man in Black von Johnny Cash
Mit das Beste an der Countrymusik ist die Art und Weise, wie sie einfache Sprache verwendet, um zeitlose Wahrheiten auszudrücken. Dieser Klassiker ist ein Paradebeispiel.
G C G
Well you wonder why I always dress in black
C Am
Why you never see bright colours on my back
C G C G
And why does my appearance seem to have that sombre tone
Am D7
Well there’s a reason for the things that I have on
G C G
I wear the black for the poor and the beaten-down
C Am
Living on the hopeless hungry side of town
C G C G
I wear it for the prisoner who has long paid for his crime
Am D7
But is still in there as a victim of the time
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